EIN PARADIGMENWECHSEL
Halt vor Inhalt
Alles, was wir normalerweise „Inhalt“ nennen –
Verlustangst, Angst vor Ablehnung, Verlassenheitswunde –
sind Narrative über die Außenbindung. 
Sie erzählen vom Anderen:
▪ „Er oder sie darf nicht gehen.“
▪ „Ich will nicht verlassen werden.“
▪ „Ich habe Angst vor Ablehnung.“
Aber das ist nicht der Kern.
Es ist eine zwangsläufige Anpassungslogik.
Der Versuch, Kontrolle über das Außen zu gewinnen,
um den fehlenden inneren Halt zu kompensieren.

Die Wahrheit liegt darunter.
Nicht das Außen – der Verlust, die Ablehnung –
ist der eigentliche Schmerz,
sondern die Ohnmacht im Alleinsein.
Das ist die Sollbruchstelle des inneren Ortes.
Der Moment, in dem kein Halt da war,
wo du als Kind gespürt hast:
▪ „Niemand kommt.“
▪ „Niemand hält.“
▪ „Ich halte das nicht aus.“

■ Die Reinszenierung.
Heute wird diese Ohnmacht nicht mehr direkt gespürt,
sondern über die „Erzählung nach außen“ reinszeniert:
Verlustangst, Eifersucht, Ablehnungsangst, Kontrolle.
In Wahrheit ist das System damit beschäftigt,
nicht noch einmal die ursprüngliche Haltlosigkeit zu erleben.
■ Der Paradigmenwechsel.
Die innere Arbeit erfolgt nicht mehr am „Inhalt“  –
Ängste, Geschichten, Gefühle.
Sondern am Halt selbst.
Denn sobald innerer Halt entsteht,
werden die Inhalte durchschaut.
Sie sind Anpassungslogiken eines Systems,
das an der entscheidenden Stelle bislang haltlos blieb.

Warum reines Umdeuten nicht greift.
Der Kernglaubenssatz:
„Ich bin nicht genug.“ –
▪ nicht liebenswert genug,
▪ nicht gut genug,
▪ nicht erfolgreich oder attraktiv genug –
all das ist nicht der Kern,
sondern die Schlussfolgerung fehlender Spiegelung.
Der Kern ist der fehlende Halt –
die erlernte Ohnmacht im Alleinsein.

Solange dieser Kern im Nervensystem unberührt bleibt –
bearbeitet kognitives Umdeuten nur die Oberfläche.
Denn:
▪ Der Glaubenssatz sitzt im semantischen Gedächtnis.
▪ Die Sollbruchstelle ist somatisch-implizit verankert.
▪ Sicherheit bleibt zustands-/kontextabhängig.
▪ Ursache und Lösung werden verwechselt.
Das bedeutet:
Der Satz „nicht liebenswert“ bleibt Anpassungslogik –
nicht Treiber der Dynamik.
„Wenn ich mich anstrenge oder gebe, dann...“ –
ist Selbstschuldlogik der Anpassung,
um vermeintliche Kontrolle zu behalten.
Treiber ist der fehlende Halt –
wodurch das erlernte Schutzmuster 

zum Kompensationsversuch wird.

​​​​​​​Von Außen-Inhalt zu Innen-Halt
Dieser Wechsel verschiebt die Achse komplett:
Von:
„Wie gehe ich mit Verlustangst/Ablehnung um?“
Hin zu:
„Wie bleibe ich – in der Ohnmacht ohne Halt –
und bringe Halt genau dorthin?“

Auf diese Weise entsteht Halt, wo nie Halt war. 
Das System lernt, bleiben zu können.
​​​​​​​
© Julian Hartmann, 2025
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